Zieht ein Handynutzer auch nur vorübergehend (hier: wegen Aufnahme eines Studiums) ins Ausland und ist der deutsche Mobilfunkanbieter nicht bereit, den bestehenden Vertrag für die Zeit des Auslandsaufenthaltes stillzulegen oder ihn auf den zur eigenen Unternehmensgruppe gehörenden ausländischen Mobilfunkanbieter zu übertragen, so steht dem Handynutzer ab dem Zeitpunkt des Umzuges ein Sonderkündigungsrecht mit dreimonatiger Kündigungsfrist zu, § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG

 

 

Die Kanzlei Schey & Schey vertrat einen Mandanten gegen einen der großen deutschen Mobilfunkanbieter und erreichte erfolgreich die Kündigung eines bestehenden Mobilfunkvertrages wegen Umzugs des Mandanten ins Ausland.

 

Was war geschehen?

 

Der Mandant hatte das Abitur bestanden und sich an verschiedenen deutschen Universitäten zwecks Aufnahme eines Medizinstudiums beworben, als er im Mai 2012 einen neuen Mobilfunkvertrag mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten abschloss. In den folgenden Wochen hagelte es auf die Bewerbungen bedauerlicherweise nur Absagen. Der Mandant entschloss sich daher Ende Juli 2012, sich an einer ungarischen Universität zu bewerben. Diese erteilte eine Zusage. Der Mandant zog daher Anfang Oktober 2012 nach Ungarn und trat sein Studium an.

 

Anschließend kündigte er seinen Mobilfunkvertrag fristlos und bot an, dass seinerzeit bei Vertragsabschluss erhaltene und nie benutzte verbilligte Handy zurückzugeben. Der Mobilfunkbetreiber wollte von dieser Kündigung – wie wohl nicht anders zu erwarten war – nichts wissen sondern den Mandanten vielmehr bis Mai 2014 an dem abgeschlossenen Vertrag festhalten.

 

Der Mandant bot daraufhin an, den Vertrag entweder für die Dauer des Studiums stillzulegen oder aber auf einen Vertrag mit dem zur Unternehmensgruppe des hiesigen Mobilfunkbetreibers gehörenden ungarischen Mobilfunkanbieter zu übertragen. Beides lehnte der Betreiber ab und bot im Gegenzug (nur) an, den deutschen Vertrag auf eine andere, in Deutschland ansässige Person umzuschreiben.

 

Nachdem sich nun die Kanzlei Schey & Schey in dieser verfahrenen Situation im Juli 2013 erstmals gemeldet und den Mobilfunkbetreiber auf  § 46 Abs. 8 TKG hingewiesen hatte, beendete dieser den Vertrag zwar "aus Kulanz“ zum Tag des Eingangs dieses ersten Anwaltsschreibens, bestand aber auf dem Ausgleich der bis dahin angefallenen Gebühren und warf dem Mandanten nunmehr völlig ins Blaue hinein zu Unrecht vor, er sei sich seines bevorstehenden Umzuges schon bei Vertragsabschluss bewusst gewesen.

 

Parallel hatte die Kanzlei Schey & Schey den Mandanten bereits darauf hingewiesen, dass vorliegend kein Recht zur fristlosen Kündigung bestünde sondern allenfalls eine Kündigung nach § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten in Betracht käme, welche bereits vor dem Umzug erklärt werden, aber frühestens mit dem Zeitpunkt des Umzuges wirksam werden könne (so nun auch das AG Köln, Urteil vom 25.01.2016, Az. 142 C 408/15). Zudem müsse der erfolgte Umzug durch Ab- und Anmeldebestätigungen bei den entsprechenden Meldebehörden nachgewiesen werden. Da der Mandant seine Anmeldung in Ungarn dokumentieren konnte, erst nach dem Umzug gekündigt und ab diesem Zeitpunkt auch keine Telefonate mehr geführt hatte, zahlte der Mandant daher noch weitere drei Grundgebühren nach.

 

Dennoch blieb der Mobilfunkbetreiber bei seiner Linie und beauftragte schließlich ein allseits bekanntes Inkassounternehmen mit der weiteren Bearbeitung. Der mit der Kanzlei Schey & Schey anschließend geführte Schriftverkehr gipfelte schließlich darin, dass das Inkassounternehmen allen Ernstes die Ansicht vertrat, sich auf eine Entscheidung des BGH vom 11.11.2010 berufen zu können (Az. III ZR 57/10). Diese erging jedoch vor der Änderung des § 46 TKG. Die BGH-Entscheidung war also nicht nur überholt sondern vielmehr sogar der Grund für den Gesetzgeber, hier überhaupt aktiv zu werden, um dieser Fehlentwicklung entgegenzusteuern und ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG erstmals zu schaffen (BT-Drs. 17/5707, Seite 70, rechte Spalte, 1. Absatz). Dies wurde durch uns mitgeteilt und nachfolgende Inkassoschreiben sodann ignoriert.

 

Nachdem einige Monate nichts passierte, flatterte uns für den Mandanten dann doch noch ein Mahnbescheid und nach erfolgtem Widerspruch eine Klage ins Haus. Die Anspruchsbegründung ließ indes – wiederum wohl wenig überraschend – jedes Wort zur vorliegenden Umzugsproblematik vermissen und erweckte den Eindruck, als sei unser Mandant ein x-beliebiger Handynutzer, der einfach seine Rechnungen nicht bezahle.

 

In unserer Klageerwiderung haben wir daher ausführlich den Sachverhalt vorgetragen und darauf hingewiesen, dass das Sonderkündigungsrecht des § 46 Abs. 8 TKG für Mobilfunkverträge auch (und gerade) dann gelten müsse, wenn der Nutzer ins Ausland verziehe. Dem Mandanten wäre es zwar grundsätzlich auch in Ungarn möglich, mit dem geschlossenen Vertrag zu telefonieren. Der vorliegende Fall unterschied sich also vom „Klassiker“ einer fehlenden Netzabdeckung. Jedes einzelne Telefonat hätte aber Roaming-Gebühren für Telefonate im Ausland nach sich gezogen und zwar sowohl für alle abgehenden als auch für alle ankommenden Anrufe und unabhängig davon, ob ein solches Telefonat mit den Eltern in Deutschland oder aber einem Studienkollegen in Ungarn geführt worden wäre.

 

Sinn und Zweck der Regelung des neuen § 46 Abs. 8 TKG ist aber ein angemessener Interessensausgleich zwischen den Vertragspartnern. Das Sonderkündigungsrecht muss daher so verstanden werden, dass es in all den Fällen greift, in denen es dem Nutzer an seinem neuen Wohnort nicht möglich ist, die Leistung zu inländischen Tarifen zu erhalten, denn zur vertraglich geschuldeten Leistung im Rahmen eines Mobilfunkvertrages gehört es auch, dass derartige Roaming-Gebühren nur die Ausnahme darstellen, normale, alltägliche Telefonate aber ohne solche geführt werden können.

 

Hinzu kommt, dass bereits der Gesetzestext das Sonderkündigungsrecht davon abhängig macht, ob die vertraglich geschuldete Leistung am neuen Wohnsitz angeboten wird oder nicht. Dies ist dem Mobilfunkanbieter bei einem Umzug ins Ausland indes nicht möglich, da er nur im Inland ein eigenes Mobilfunknetz betreibt, bei Auslandsgesprächen aber darauf angewiesen ist, die Netze der dortigen Anbieter fremdzunutzen. Dies führt dazu, dass es sich im Ausland nicht mehr um dieselbe Leistung handelt und wird landläufig von den deutschen Mobilfunkanbietern daher ja auch gerade für die Begründung der bei Gesprächen mit Auslandsbezug anfallenden Roaming-Gebühren ins Felde geführt.

 

Da der Mobilfunkbetreiber nicht bereit war, den Vertrag bis zur Rückkehr des Mandanten nach Deutschland ruhen zu lassen oder ihn auf den zur eigenen Unternehmensgruppe gehörenden ungarischen Mobilfunkanbieter zu übertragen, stand dem Mandanten nach unserem Dafürhalten daher das Sonderkündigungsrecht des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG zur Seite. Da auch die dreimonatige Grundgebühr der Kündigungsfrist inzwischen gezahlt war, beantragten wir die Abweisung der Klage.

 

Das Verfahren vor dem zuständigen Amtsgericht endete letztlich mit einem Vergleich, da das Gericht die Ansicht vertrat, der Mandant hätte vor dem Ausspruch der Kündigung – und nicht erst (wie geschehen) im Anschluss an das auf die Kündigung folgende Antwortschreiben des Mobilfunkanbieters – den Mobilfunkbetreiber auffordern müssen, einen ungarischen Vertrag zu gleichen Konditionen anzubieten. Erst nachdem dies nicht gefruchtet hätte, hätte der Mandant sodann kündigen dürfen. Aufgrund dieses vorgelagert notwendigen Aufforderungsschreibens hätte dann aber die anschließende Kündigung erst später erklärt werden können als dies tatsächlich geschah, so dass sich hierdurch wegen der vorliegend vorhandenen zeitlichen Nähe der Kündigungserklärung zum Monatsende auch der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung im Hinblick auf die Frist des  § 46 Abs. 8 TKG um einen Monat nach hinten verschoben hätte.

 

Ob sich diese Rechtsansicht des Gerichts durchsetzen wird, ist fraglich, denn wir gehen davon aus, dass Mobilfunkbetreiber derartige Angebote nicht abgeben, so dass ein entsprechendes Aufforderungsschreiben als von vorneherein aussichtslos und damit entbehrlich erscheint. Vorliegend führte  der rechtliche Hinweis des Gerichts, der Mobilfunkbetreiber trage eine sekundäre Darlegungslast dafür, dass es ihm möglich gewesen wäre, am neuen Wohnort einen Vertrag zu gleichen Konditionen anzubieten, jedenfalls dazu, dass die Gegenseite nunmehr erstmals eine Vergleichsbereitschaft an den Tag legte. Aber auch mit diesem Vergleich wurde eine Beendigung des Vertrages erreicht, die deutlich vor dem vom Mobilfunkbetreiber ursprünglich "aus Kulanz" angebotenen Zeitpunkt lag und damit der Tatsache Rechnung trug, dass § 46 Abs. 8 TKG grundsätzlich auch bei der Kündigung eines Mobilfunkvertrages im Falle eines Umzuges ins Ausland greift.

 

 

Hinweis

 

Selbstverständlich hätte man sich auch darauf berufen können, dass es für den Mandanten an einer ladungsfähigen Anschrift in Deutschland fehle, um den Mobilfunkanbieter damit zu einer beschwerlichen Zustellung im Ausland zu zwingen. Dies erschien uns jedoch weniger zielführend als eine inhaltliche Auseinandersetzung zum Zwecke der Klärung der Reichweite des § 46 Abs. 8 TKG, zumal sich das Kostenrisiko angesichts des niedrigen Streitwertes sehr in Grenzen hielt.