Die Vereinbarung eines Nießbrauchsrechtes bei schenkweiser Übertragung einer Immobilie ermöglicht auch noch lange nach Ablauf der 10-Jahres-Frist des § 2325 BGB die Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruches

 

 

Die Kanzlei Schey & Schey vertrat einen Mandanten gegen seine Ex-Frau auf Ergänzung des erbrechtlichen Pflichtteils nach dem Tod seiner Eltern.

 

Was war passiert?

 

Die Eltern des Mandanten konnten offenbar nicht akzeptieren, dass die Ehe ihres Sohnes gescheitert war. So setzten sie sich zunächst in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zum Alleinerben und die (Noch-)Frau des Mandanten zur Schlusserbin ein und übertrugen einige Zeit später sogar das elterliche Grundstück nebst Wohnhaus schenkweise an die zwischenzeitlich geschiedene (Ex-)Frau des Mandanten. Unser Mandant bekam von alledem nichts mit. 12 Jahre später verstarben die Eltern des Mandanten kurz hintereinander.

 

Bei der Übertragung des Hausgrundstücks an die Ex-Frau des Mandanten hatten dessen Eltern sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht eintragen lassen – zum Glück für den Mandanten!

 

Aufgrund dieser Nießbrauchsverpflichtung der Beschenkten entäußerten sich die Schenker des Grundstücks aus rechtlicher Sicht nicht endgültig, so dass die 10-Jahres-Frist des § 2325 BGB nicht zu laufen begann und der Anspruch des Mandanten auch nach so langer Zeit immer noch durchgesetzt werden konnte.

 

Auch die neue Abschmelzungsregel des § 2325 Abs. 3 BGB konnte der Ex-Frau unseres Mandanten nicht helfen, denn Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die vormals starre 10-Jahres-Frist zwischen endgültiger Entäußerung und Erbfall mit 10% pro Jahr abzufedern. Just diese Frist hatte aber aufgrund des Nießbrauchs erst gar nicht zu laufen begonnen, da es ja an einer endgültigen Entäußerung gerade fehlte.

 

Bei der Wertermittlung des Grundstücks war das Niederstwertprinzip anzuwenden. Die beiden Werte zum Zeitpunkt der Schenkung und des Versterbens sind hierbei einander gegenüberzustellen. Der niedrigere Wert ist anzusetzen, wobei allerdings beachtet werden muss, dass der (ältere) Wert zum Zeitpunkt der Schenkung zwecks Ausgleichs des allgemeinen Kaufkraftschwundes auf den (jüngeren) Todeszeitpunkt zu kapitalisieren ist. Erst wenn der kapitalisierte Schenkungs-Wert immer noch niedriger ist als der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls, sind der Schenkungswert anzusetzen und hiervon in einem zweiten Schritt ein Wert für die übernommene Nießbrauchsverpflichtung in Abzug zu bringen. Ist aber der Wert zum Zeitpunkt des Versterbens geringer als der kapitalisierte (!) Schenkungswert, ist der Wert zum Zeitpunkt des Todes anzusetzen. In diesem Fall erfolgt dann kein Abzug, da der Nießbrauch mit dem Tod endet (§ 1061 BGB) und damit zum Todeszeitpunkt auch keinen Wert mehr haben kann.

 

Dem Mandanten konnte so zu einer erheblichen Geldsumme verholfen werden. Umgekehrt hatte sich die Schenkung für seine Ex-Frau nicht gelohnt, denn neben der Zahlung an unseren Mandanten war sie mangels eines Verwandtschaftsverhältnisses zu dessen Eltern bereits im Anschluss an die Schenkung zu einer hohen Schenkungssteuer herangezogen worden. Nach geltender Rechtslage war diese Steuerzahlung vorliegend aber nicht zu berücksichtigen und minderte den Anspruch des Mandanten daher nicht!